Eigenverantwortung junger Menschen: Gesellschaftlich gewollt oder bewusst erschwert?

Der Südtiroler Jugendring (SJR) hat mit den Vorsitzenden seiner Mitgliedsvereine und Universitätsprofessor Max Preglau zum Thema „Eigenverantwortung“ diskutiert. (Junge) Menschen brauchen Sicherheit, damit die liberale, pluralistische Gesellschaft funktionieren kann. Auch Vereine sind gefordert.

Der Südtiroler Jugendring (SJR) hat sich gemeinsam mit den Vorsitzenden seiner Mitgliedsorganisationen getroffen, um zum Thema „Eigenverantwortung junger Menschen“ zu diskutieren. „In den Mitgliedsorganisationen des SJR hat Eigenverantwortung junger Menschen einen hohen Wert, viele Ehrenamtliche übernehmen dort Verantwortung und gestalten Gesellschaft mit“, so Martina De Zordo, Vorsitzende des SJR. „Davon ausgehend wollten wir gemeinsam reflektieren, ob die Eigenverantwortung junger Menschen gesellschaftlich gewollt ist oder bewusst erschwert wird“, erklärt Michael Peer, SJR-Geschäftsführer. Unterstützen ließen sie sich hierbei von Max Preglau, Professor für Soziologie an der Universität Innsbruck.

Max Preglau zufolge kann eine liberale, pluralistische Gesellschaft auf Dauer nur bestehen, solange soziale Sicherheit herrscht. Schließlich seien Menschen, die sich nicht mehr sicher fühlen können, individuell überfordert und anfällig für Extremismus und Intoleranz.

„Das ist eine Herausforderung für unsere Gesellschaft, und wir Vereine werden unseren Beitrag dazu leisten“, resümierte Martina De Zordo. „Wir müssen weiterhin junge Menschen aus allen sozialen Schichten ansprechen und ihnen das Entwickeln von Kompetenzen und Werten zur Übernahme von Eigenverantwortlichkeit ermöglichen. Sind junge Menschen in ihrer Eigenverantwortung gestärkt, empfinden sie dies als Stütze, Halt und Sicherheit und schaffen es leichter mit den immer komplexer werdenden Anforderungen der Zeit umzugehen“, so De Zordo.

Preglau informierte, dass sich die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Rahmenbedingungen in den letzten Jahrzehnten stark verändert haben. Dies äußere sich u.a. am Souveränitätsverlust der Nationalstaaten gegenüber globaler Wirtschaft und transnationaler Politik, dem Wandel hin zu einer heterogenen Migrationsgesellschaft, dem Verschwinden des traditionellen Familienbildes und an der Zunahme atypischer Arbeitsverhältnisse.

Diese Veränderungen haben natürlich auch Auswirkungen auf die Lebensform der Kinder und Jugendlichen. So sind die Erziehungsstile liberaler und gewaltfreier geworden, die Beteiligungsmöglichkeiten in Politik und Wirtschaft gestiegen. Während  mehr und mehr individuelle Eigeninitiative und Eigenverantwortung gefordert ist, nehmen die Fähigkeit und die Bereitschaft des Staates zur öffentlichen Unterstützung und Fürsorge ab. Dadurch sind junge Menschen einem zunehmenden wirtschaftlichen Druck ausgesetzt und die Zukunftsängste nehmen zu. Immer mehr junge Erwachsene leben länger bei den Eltern, haben die Ansicht, dass Bildung keine Garantie mehr für eine gut bezahlte Arbeit darstellt und sehen ihre Altersabsicherung als sehr unsicher an. Auch dadurch verlieren sie das Vertrauen in Politik und Staat, so abschließend Prof. Preglau.

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